Entstehung des Karnevals in Kornelimünster

Wie Karneval in Kornelimünster entstanden ist
Auszug aus der Chronik der Abtei von St. Truiden
1133 ... Tagelöhner, die aus Wolle und Flachsfasern Tuch machen, sind ein eigenartriges Volk; sie gelten mehr als andere Berufszweige als handgreiflich und eigenwillig. Um dies offenbar zu machen und auch um sich für von ihnen erlittenes Unrecht zu rächen, dachte sich ein armer Bauer aus Kornelimünster folgenden teuflichen und listigen Streich aus:

Die Beamten des Abtes von Kornelimünster ließen ihn gewähren und Hilfe bekam er von einer etwas unsteten Truppe, die sich immer findet, wenn es darum geht, einen Streich auszuhecken. Im nahe gelegenen Wald zimmerten sie ein Schiff und bauten Räder darunter, so daß es über Land gezogen werden konnte. Er erwirkte Urlaub für die Weber, damit diese sich mit Seilen vorspannten und das Schiff von Kornelimünster nach Aachen zogen. In Aachen erhielt er riesigen Zulauf von Männern und Frauen.

Aber die Weber schleppten das Schiff dann weiter nach Maastricht. Da wurde es mit Mast und Segel ausgerüstet. Danach fuhr man nach Tongeren und von da nach Borgloon. Als nun Abt Rodolf (von St. Tuiden) hörte, daß sich das Schiff zügig und umringt von einem närrischen Völkchen der Stadt näherte, sah er in einer Vision besorgt kommendes Unheil auf St. Truiden herabkommen. Er beschwor die Bürger, das Schiff nicht in die Stadt zu lassen, da unter Masken verborgen böse Geister mitgeführt würden. Diese würden bald zu Wahnwitz, Mord, Brandstiftung, Plünderung und Vergießen von Menschenblut führen. Aber man hörte einfach nicht auf seine Mahnungen.

Man holte das Schiffchen mit der selben Begeisterung wie die zum Untergang geweihten Trojaner das hölzerne Pferd in die Stadt und stellte es mitten auf den Markplatz. Die Menge ließ nun die Trommel rühren und erließ einen Befehl an die Weber der Stadt einen Wachdienst für das Schiffchen einzurichten. Die Weber umringten ausgestattet mit den seltsamsten Waffen das Schiff und bewachten es scharf Tag und Nacht.
Man wundert sich, daß man nicht auch noch auf die Idee kam, Neptun ein Opfer zu bringen. Schiffe gehören doch in sein Fach. Aber Neptun überließ die Ehre dem Mars und verlangte nach Menschenopfern. Und die gab es später in großer Zahl.

Inzwischen dachten die mit dem Wachdienst belasteten Weber im Stillen an Gott, den allmächtigen Richter, der über ihr schändliches Tun erzürnt sein konnte. Aber sie waren doch einfache Leute und Christen, die mit harter Handarbeit ihren Beruf nachgingen, um Frauen und Kinder zu ernähren. Sie fragten sich , warum ausgerechnet sie vor allen anderen Berufen durch diese schändliche Erniedrigung getroffen wurden. Ihr Beruf war nicht ungehöriger als andere auch, den Christenmenschen ohne Sünde zu tun ausüben konnten. Nur die Berufe brachten doch Schande, bei denen man die Seele mit dem Schmutz der Sünde befleckte. Ein armer, einfacher Weber war doch einem reichen Manne vorzuziehen, der Witwen und Waisen betrog. Und während sie noch so dachten, ertönten allerlei Musikinstrumente und es erschollen schändliche, einem Christenmenschen unwürdige Lieder aus der johlenden Menge - und das alles zur Ehre des Schiffes, in dem wer weiß welcher böse Geist Bacchus, Venus, Neptun, Mars oder vielleicht auch alle zusammen wohnten. Es wurde verordnet, daß jeder, der sich, ohne zu den Webern zu gehören, dem Schiff näherte und es anrührte, zur Strafe ein Pfand an die Weber abgeben mußte, daß er nur gegen willkürlich festgesetztes Strafgeld auslösen konnte.

Nicht genug! Ich weiß nicht, ob ich schweigen muß oder sprechen soll. Es mögen keine Lügen über meine Lippen kommen.

Als die Dämmerung hereinbrach und der Mond am Firmament erschien, verließen lange Schlangen ehrbarer Frauen ihre Straßen. Sie hatten die merkwürdige Musik und den Gesang gehört und sprangen mit aufgelöstem Haar herbei. Ihre frauliche Furchtsamkeit hatten sie abgelegt. Einige waren halbnackt. Andere hatten sich nur ein Überkleid übergeworfen. So gesellten sie sich schamlos herumspringend zu jenen, die um das Schiff herum tanzten. Gut tausend Männer und Frauen sah man da, mitten in der Nacht diese ungewohnte und unseelige Schauspiel zu feiern. Als dann dieser verfluchte Tanzen ausgetanzt war, verstreuten sich beide Geschlechter mit lautem Geschrei aus ihren rauhen Kehlen ausgelassen nach links und rechts. Um zu vernehmen, was da geschah, muß man sich schon an die wenden, die mitmachten und zusahen. Wir schweigen besser und bedauern das, was wir sicherlich bald schwer büßen müssen.

Als sie dann diese heidnischen Feste mehr als 12 Tage lang nach dem zuvor beschriebenen Ritus gefeiert hatten, machten sich die Bürger endlich Gedanken, wie sie das Schiff los würden. Die Verständigsten, die bedauerten sich überhaupt so gehen gelassen zu haben, und die Gott wegen dessen fürchteten, was sie gesehen und gehört hatten und was sie als Gottes Strafe zu erwarten hatten, rieten, das Schiff in Brand zu stecken oder es sonstwie verschwinden zu lassen. Aber einige lehnten diesen guten Rat in wahnsinniger Verblendung immer noch ab. Man überlegte weiter zu ziehen nach Zoutleeuw.

Inzwischen hatte auch der Herr von Löwen Nachricht von dem merkwürdigen Schiff erhalten. Fromme Ratgeber hatten ihm empfohlen, das Schiff aus seinem Territorium weg zu schaffen. Er erinnerte die Bürger von St. Truiden an ihre für Frieden und Freundschaft beschworenen Eide und daß der Frieden gestört würde, wenn das lächerliche Gefährt in ihre Nachbarstadt gefahren werden könnte. Wenn sie dennoch meinten, daß das Ganze nur ein Spiel sei, müßten sie sich andere Spielgenossen suchen. In jedem Fall würde sie den Frieden brechen, wenn sie die Warnungen in den Wind schlügen. Er würde dann mit Feuer und Schwert Rache nehmen. Er richtete sich auch an seinen Lehnsmann, den Herren von Duras. Die 3 Mal wiederholten Warnungen wurden aber mißachtet. Wegen der Sünden unserer Bürger ließ Gott der Herr nun mit Feuer und Schwert uns die Waffengewalt der Löwener treffen. Das Volk aber schleppte mit Unterstützung des Grafen Gieselbert das Schiff an Duras vorbei nach Zoutleeuw. So wirkte Graf Gieselbert mit an unserem Unglück. Die Bürger von Zoutleeuw verhielten sich weiser als unsere Bürger und ließen das johlende und ausgelassen feiernde Volk erst gar nicht in die Stadt hinein.

[Nun werden Kriegshändel und Plünderungen geschildert, die auf schon länger schwelenden Ursachen beruhten, nach Auffassung des frommen Chronisten aber durch die Unruhen veranlaßt worden sind.]

Freie Übersetzung aus dem Niederländischen(Lavigne, E., Kroniek van de Abdij van Sint-Truiden - Vertaling van de Gesta Abbatum Trudonesium“ met Annotaties van Prof. Jappe Alberts , deel I, Assen-Maastricht 1986,S. 159). Die im Original (Gesta abbatum Trudonensium, R113; continuatio secunda, G057/R115; continuatio tertia, G058/R116; hrsg. Bormann, C.de, 2 Bd. Lüttich 1872 u. 1877; Monumenta Germaniae Historica, Scriptores SS X :211-448, hrsg. Rudolf Koepke ) enthaltene Überlieferung könnte u.U. die mittelalterlichen karnevalistischen Umtriebe unverfälschter wiedergeben.

Aachen 3.3.03 - D. Kottmann